Ein Schuljahr in den USA

Ich heiße Julia, bin jetzt 19 Jahre alt, besuche die 12. Klasse, bin seit neun Jahren beidseitig CI-versorgt und war nach der10. Klasse im Schuljahr 2015/16 für ein Jahr an einer High School nahe San Francisco/Californien. Fast täglich denke ich an meine tolle Zeit zurück, die mich schon sehr beeinflusst hat. Dabei fallen mir auch immer wieder einige Erlebnisse zum Schmunzeln ein, von denen ich euch heute kurz berichten möchte.

Ein Jahr an der Foothill High School, Herausforderung für eine CI-Trägerin

Man muss sich zu helfen wissen

Jeder von euch kennt die Situation, dass plötzlich mal die Batterien leer sind, und dass man, oh Schreck, leider heute gerade mal keine Ersatzbatterien dabei hat. Besonders unangenehm ist es, wenn sich fast gleichzeitig beide CIs verabschieden. So ist es mir am Anfang meiner  Schulzeit im Fach US history peinlicherweise passiert. Also schreibe ich mein Problem auf ein Papier und gebe es dem Lehrer. Nachdem er es gelesen hat, fängt er gleich an zu reden und erklärt, dass das gar kein Problem sei …, bis er plötzlich realisiert, dass Reden ja nichts
bringt. Umso überraschter ist er, dass ich bis dahin, gehörlos, noch im Unterricht mitgearbeitet habe. Aber das liegt an seinem guten Tafelbild, wo er vieles aufgeschrieben hat. Als er dann in der zweiten Stunde auch noch einen Film zeigt, schaltet er ohne meine Bitte ganz selbstverständlich sofort die Untertitel ein. So viel Mitdenken habe ich vorher noch nie erlebt.

Ein echtes Sprachproblem

Ich sitze im Englischunterricht und verstehe meine Lehrerin nicht. Die Fragezeichen in meinen Augen sind entsprechend groß. Ein Mitschüler bekommt das mit, sieht meine CIs und fängt sofort an zu gebärden. Super Reaktion, kann ich nur sagen. Allerdings werden meine Fragezeichen nicht kleiner, weil ich seine American Sign Language (ASL) nicht verstehen kann.

Alles hat seine Vor- und Nachteile

In einem anderen Unterricht passen viele gerade nicht auf, quatschen und es ist sehr unruhig. Der Lehrer sagt: „Silence!“ (Ruhe). Sofort sind alle still. Die Kommunikation bei einigen läuft dann aber trotzdem ohne Unterbrechung weiter, in „Silence“ und ASL. (Sehr viele normalhörende Schüler lernen freiwillig in Kursen an vielen Schulen ASL.)

Gut, dass wir mal drüber geredet haben

Seit über drei Wochen nehme ich schon am Unterricht teil und jeder Lehrer trägt in jeder Stunde völlig selbstverständlich das Mikrofon meiner FM-Anlage um den Hals. Es wurde nie thematisiert. Dann traut sich ein interessierter Mitschüler zu fragen, was denn der Lehrer um den Hals trage. Als ich antworte, dass das ein Mikrofon sei, herrscht großes Erstaunen. Alle denken, er trage einen Translater (Übersetzer von Englisch ins Deutsche) für mich als schwerhörige deutsche Austauschschülerin.

Jetzt könnt ihr gerne lachen …!

Große Aufregung und Vorfreude in meiner Gastfamilie und ganz USA. Es ist Mitte Dezember und der neue Star Wars Film hat im Kino Premiere. Natürlich müssen wir alle da hin, obwohl ich eigentlich nie so richtig gerne ins Kino gehe, weil die Akustik meistens für mich zu schlecht ist. Mit Greta&Starks kann ich leider auch nichts anfangen, weil ich ja ins Kino gehe wegen der großen Leinwand und nicht, um die ganze Zeit auf meinem Handy zu lesen. Also hat meine Gastmutter sämtliche Kinos in der Umgebung abtelefoniert und sich nach Unterstützung für  Hörbeeinträchtigte erkundigt. Gesucht – gefunden! Ja, und jetzt dürft ihr gerne lachen. So sehe ich aus, als ich den besten Kinobesuch meines Lebens habe. Da braucht man schon Platz auf und hinter den Ohren. 1. Meine eigene Brille + darüber 2. die Kinobrille, an deren rechtem Rand in grüner Schrift Untertitel durchlaufen und die durch ein Kabel mit einem kleinen Kasten auf meinem Schoß verbunden ist. + 3. für den Star Wars Film gibt es noch eine 3-D-Brille. Für den Filmgenuss super, für die Ohren schon viel, zumal ich ja 4. immer noch meine induktiven
Ohrhaken trage. Super ist, dass ich sie auch mit dem kleinen Kasten verbinden kann. Obwohl nicht alles ganz perfekt funktioniert, ist es faszinierend, weil ich alles in allem viel mehr verstanden habe.

Mit dieser Kinobrille ist es möglich, die Untertitel zu empfangen!

Alles wie im richtigen Leben, eben.

Julia Meier
CIVrund 55