Roboter ausgerichtet auf die geplante Trajektorie auf dem Phantommodell

CI-OPs sind heute Routine geworden? Ja und nein, auch hier wird weiter geforscht, um die OP immer sicherer zu machen und das Restgehör – sofern vorhanden – so weit wie möglich zu erhalten. Die folgende Pressemitteilung (erschienen am 15.03.2017) zeigt, wohin eine der nächsten Entwicklungen geht. Wir leben in einer spannenden Zeit!

 

 

 

Spannende Zukunftsaussichten für CI-OPs

Chirurgen und Ingenieure des Inselspitals und des ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern haben gemeinsam einen hochpräzisen Operationsroboter für die Cochlea-Implantation entwickelt. Die Forschungsarbeit zur weltweit ersten, erfolgreich durchgeführten roboterassistierten Cochlea-Implantation wird am 15. März in der Fachzeitschrift «Science Robotics» publiziert.

Um ein Cochlea-Implantat in das Ohr eines tauben Patienten einzubringen, muss ein Hals-, Nasen-, Ohrenchirurg hinter der Ohrmuschel manuell einen sehr exakten Zugang durch den Schädelknochen bis ins Innenohr herstellen. Einerseits muss dabei ausreichend Knochen entfernt werden, um die notwendige Sicht auf das Innenohr zu gewährleisten, andererseits müssen Verletzungen von im Knochen verlaufenden Nerven vermieden werden. Die Implantatelektrode wird danach in die Hörschnecke (Cochlea) eingebracht und ermöglicht dem Patienten das Hören. Ziel des Berner Forschungsprojektes war es, zu untersuchen ob neuartige, computer- und robotergestützte Ansätze zu einem verbesserten und reproduzierbareren Operationsergebnis beitragen können.

Instrumente führen den Chirurgen in die Hörschnecke

Zunächst wird in Computertomographiebildern des Patienten ein Tunnel von hinter dem Ohr bis direkt in die Cochlea definiert. Der Durchmesser dieses Tunnels beträgt beim Eingang 2.5mm, in der Cochlea noch 1.8mm. Er führt unmittelbar zwischen dem Gesichtsnerv und dem Geschmacksnerv hindurch. Die Implantatelektrode kann dadurch in einem definierten Eintrittswinkel in die Hörschnecke eingeführt werden. Diese geplante Trajektorie wird dann während der Operation mit einem Roboter gebohrt. Auf Grund der engen Platzverhältnisse im Schädel und Innenohr muss der Roboter auf wenige Zehntelmillimeter genau bohren können. Für den Chirurgen gibt es hier keine direkten visuellen Kontrollmöglichkeiten. Um beim Bohrvorgang die nötige Sicherheit zu gewährleisten, sind deshalb dezidierte und voneinander unabhängige Sicherheitsmechanismen erforderlich, die in diesem Verfahren erstmalig zur Anwendung kommen. Dies ist vergleichbar mit dem Instrumentenflugprinzip eines modernen Flugzeugs, das auch bei fehlenden Sichtverhältnissen eine sichere Flugzeugführung gewährleistet.

CI-Roboter im Einsatz (Gelb: Gesichtsnerv; Orange: Geschmacksnerv; Hellblau: Cochlea; Dunkelblau: Hintere Wand äußerer Gehörgang; Lila: Gehörknöchelchen; Grün: Geplante Trajektorie; Grau: Bohrstück)

Dreifaches Sicherheitsdispositiv

Im Robotersystem greifen dazu drei Sicherheitssysteme ineinander: Ein extrem genaues Kamerasystem misst die Positionen von Roboter und Patient und steuert darüber die Roboterbewegungen. Über ein Kraftmess-System werden die Bohrkräfte gemessen und mit der erwarteten Knochenstärke verglichen. Zudem sendet ein Nervenstimulationssystem schwache elektrische Impulse in den Knochen und misst die entstehenden Rückkopplungen. «Nur aus allen Informationen zusammen können wir ableiten, ob der Roboter auf dem vorgeplanten Weg ist», erklärt Prof. Stefan Weber vom ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern.

Translation in den OP durch multidisziplinäres Team

„Diese erste roboterassistierte Cochlea-Implantation ist das Ergebnis einer Dekade gemeinsamer interdisziplinärer Forschung von Ingenieuren, Chirurgen, Neuroradiologen, Neurologen und Audiologen“, sagt Prof. Marco Caversaccio von der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie am Inselspital Bern. Die Technologie durchlief nach der Entwicklung mehrere vorklinische Testphasen, um die Systeme vor ihrer Einführung in den Operationssaal zu prüfen. «Unser Schritt in die Klinik ist ein erfolgreiches Beispiel der Translation von Forschungsarbeiten», so Caversaccio. In den Folgestudien des Projekts – wie zum Beispiel Anwendungen zur Wirkstoffdosierung im Innernohr – sollen neue biomedizinische Ergebnisse mit Hilfe des Schweizer Nationalen Zentrums für Translationale Medizin und Unternehmertum, sitem-insel AG gefördert werden (http://www.sitem-insel.ch).

Nathalie Matter,  Corporate Communi-cation, Universität Bern

 

 

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft (idw)

https://idw-online.de/de/news669562

Bildrechte: ARTORG Center for Biomedical Engineering Research, Universität Bern