„Pantomime ist die Poesie der Stille“
23.-25. Juli 2021
Vom Körper hören – mit dem Körper sprechen
An diesem Wochenende wollen wir uns mittels Körpersprache aus der Stille hinausbewegen.
Der Pantomime JOMI macht uns mit der Sprache des Körpers vertraut. So weckt er nicht nur Bewusstsein für die eigene Körpersprache und die des „Gegenübers”, sondern hilft mittels Lockerungs- und Konzentrationsübungen, Beobachtungs-, Bewegungs- und Illusionstechniken, diese Sprache bewusst zu sprechen.
JOMI (Josef Michael Kreutzer), selbst CI-Träger, zählt zu den Spitzenkünstlern seines Faches.
Bericht von Werner Jost
Schloss Gültstein rief und warb mit sommerlichen Temperaturen. Gefragt waren Teilnehmende, die mal nicht mit den Ohren hören wollten, sondern die Poesie der Stille erleben und vom Körper hören und vor allem auch mit dem Körper sprechen lernen wollten. Als Referent wurde Josef Michael Kreuzer, besser bekannt unter seinem Künstler-Pseudonym „Jomi“, gewonnen. Die wagemutigen Rittersleut und Schildmaiden ließen sich auch nicht schrecken. Sie kamen herbeigeeilt von überall aus dem Ländle und sogar aus Bayern, aus dem fernen München. Für einige war die Anfahrt auch sehr anstrengend mit viel Stau für die Autofahrer, aber auch mit diversen Komplikationen für die Bahnreisenden. Nach der ersten Stärkung mit Speis und Trank und der obligatorischen Kennenlernrunde wurde der erste Abend mit Entspannungs- und Konzentrationsübungen abgeschlossen.
Nachahmung gewünscht
Der Samstag wurde wieder eingeleitet mit Entspannungs- und Konzentrationsübungen. Danach war Konzentration gefragt. Pantomime leitet sich ab vom griechischen pantomimos und bedeutet „alles nachahmend“. Der Brockhaus beschreibt sie als eine theatralische Darstellung, ausgedrückt durch stummes Gebärdenspiel und Bewegung im Raum. Sie ist die Kunst, Gefühle mit Bewegungen oder durch Bewegungen auszudrücken.
Sie ist aber kein Ersatz der Worte durch Gesten. Vielmehr geht es auch um die Identifizierung des Menschen mit den Elementen, den Personen, der Natur, die uns umgibt. Das künstlerische Mittel der Pantomime
ist der menschliche Körper. Der Beobachter sieht Gestik und Mimik, der Pantomime benötigt zusätzlich Körperbeherrschung und Illusionstechnik. Letztere sorgt dafür, dass alleine mit dem menschlichen Körper
des Pantomimen für den Beobachter eine reale Welt entsteht. Es wirkt die Körpersprache und entführt uns, den Beobachter, in die Poesie der Stille.
Genau hinschauen!
Körpersprache beginnt mit Beobachtung. So gilt es, sein Gegenüber besser einschätzen zu lernen, indem man die Körpersprache beachtet und beobachtet. Es kommt sowohl auf Gestik als auch auf Mimik an. Gestik
oder Mimik alleine ist oft nicht eindeutig und wir lernten, dass es viele Facetten und Freiheitsgrade gibt. Nur Gestik und Mimik zusammen ergeben ein rundes Bild. Die Gestik umfasst Körperteilbewegungen vom
Hals abwärts, während Mimik die Bewegung der Gesichtsmuskeln zum Ziel hat. Der erste Theorieteil wurde mit Spiegelübungen abgeschlossen.
Im weiteren Verlauf übten wir genau zu beobachten und die diversen Facetten von Gestik und Mimik zu unterscheiden. Die Grundelemente der Körpersprache umfassen Raumsprache, bei der Richtungen und
Raumebenen durch Schwerpunktverlagerungen des Körpers illusioniert werden können und so einen Raum um uns herum entstehen lassen können, aber auch Zeitsprache, Energiesprache, Gefühlssprache und Begegnungssprache. So gilt es auch, die Distanzzonen zwischen Menschen zu beachten. Wir lernten zu unterscheiden zwischen intimer Distanz, sozialer oder Nahdistanz und öffentlicher Distanz.
Nur besonders vertrauten Menschen gestatten wir den Eintritt in unsere Intimzone. Fremde Menschen, die uns zu nah „auf die Pelle“ rücken, empfinden wir als aufdringlich oder bedrohlich.
Aber hier gibt es auch soziale und kulturelle Unterschiede. So verletzen in den Augen von Nordeuropäern
die impulsiven Südeuropäer häufiger die Grenzen zwischen den Zonen, was aber letztlich nur Ausdruck der unterschiedlichen Mentalität ist.
Zwischendurch immer wieder auch Entspannungsübungen, um den Körper besser beherrschen zu lernen. Der zweite Teil wurde mit Rollenspielen der Teilnehmenden abgeschlossen.
Ein Abend für Künstler
Als Highlight gab Jomi am Abend eine Vorführung. Danach entführte uns Günther in die Welt der Gaukler. Es fanden sich Wagemutige, die barfuß auf einem Scherbenmeer standen, die Gummibänder in Hölzern fanden und schnappen ließen, Luftballons mit einer Stricknadel durchstachen und auf einer Leine aufspannten, ohne dass diese zerplatzten oder die Luft entweichen ließen, und andere erstaunliche Kuriositäten zeigten. Das spornte Jomi zu weiteren Darbietungen an. Das war wahrlich ein Fest für die Augen und der Auftakt für eine lange gemütliche Nacht im Freien.
Fehlalarm für taube Ohren
Der Sonntag begann mit einer ungeplanten Brandübung. Es gab einen Feueralarm, jedoch leider nicht hörbar für Schlappohren. Glücklicherweise handelte es sich um einen Fehlalarm, ausgelöst durch einen defekten
Brandsensor. Jedoch erlebten wir, dass wir nicht wirklich gut vorbereitet sind für den Fall der Fälle, wenn es um Sekunden gegangen wäre. Hier müssen wir uns alle noch besser sensibilisieren. Unsere Heldin des Tages,
Viola, eine wahre Schildmaid, die dem Drachen des Feuers trotzte und uns alle aus den Zimmern geholt hatte, wurde mit Sekt gefeiert.
Derart beschwingt ging es dann in den letzten Teil, bei dem wieder Rollenspiele verfeinert wurden. Man merkte den Teilnehmenden die deutlich gestiegenen Fertigkeiten an. Nicht wenige lernten aber auch den einen oder anderen bislang nicht bekannten Muskel kennen, welcher sich bei den ungewohnten Belastungen Beachtung verschaffte.
Wieder fand ein wunderschönes Wochenende sein Ende. Es bleibt die Erinnerung an einen fantastisch aufgelegten Jomi, der uns ein ums andere Mal mit seiner famosen Körperbeherrschung in Erstaunen versetzte. Aber auch die Erinnerung an alte und neu gefundene Freundschaften, lange Gesprächsrunden und einfach ein herrlich entspanntes und vor allem kommunikationsreiches Wochenende unter Freunden und Gleichgesinnten.